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Das neue „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ – Stärkung von Betriebsräten oder Mogelpackung ?

Am 31.03.2021 wurde der Gesetzesentwurf zum so genannten Betriebsrätemodernisierungsgesetz (genauer: Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt) vom Bundestag verabschiedet. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem Erleichterungen bei Betriebsratswahlen vor. Welche Änderungen und Verbesserungen außerdem damit auf den Weg gebracht werden soll, nehmen wir hier einmal genauer unter die Lupe.

In einem Interview mit Elmar Wigand vom Verein Aktion gegen Arbeitsunrecht, haben wir einen Experten befragen können, der uns in aller Klarheit sagt, was wir von dem Gesetz erwarten können. Die Aktion gegen Arbeitsunrecht hat den Aufruf „Betriebsräte effektiv stärken!“ an Hubertus Heil gestartet, der weitreichendere Maßnahmen fordert.

Interview mit Elmar Wigand

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Elmar Wigand

Hallo Elmar, vielleicht vor der ersten Frage 2-3 Sätze zu eurem Verein – was macht ihr und wer „steckt“ hinter dem Verein mit dem doch recht ungewöhnlichen Namen  „Aktion gegen Arbeitsunrecht?“

Der Verein geht auf Forschungen zu Union Busting in Deutschland für die Otto-Brenner-Stiftung zurück, die im Jahr 2014 veröffentlicht wurden. Daraus hat sich zunächst der Blog https://arbeitsunrecht.de entwickelt. Später haben wir begonnen, Betriebsräte und Gründer*innen zu beraten, zu schulen und Kampagnen gegen besonders aggressive Unternehmen und ihre Dienstleister zu starten.

Aus dem ursprünglichen, eher kämpferischen Namen „Betriebsrätestärkungsgesetz“ wird jetzt das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“.  Ist diese Namensänderung schon als Zugeständnis an den Koalitionspartner CDU bzw. an die Arbeitgeberseite zu werten?

Ich lese das eher als Eingeständnis, dass es mit der angekündigten Stärkung von Betriebsräten nicht besonders weit her war. Deshalb wurde der Name gewechselt. Der Inhalt blieb unverändert.

Gibt es, außer den Erleichterungen bei den BR-Wahlen, aus Deiner Sicht noch weitere Verbesserungen?

Was Betriebsratsbehinderung angeht findet sich nur ein kleiner Punkt: Bei der Gründung eines Betriebsrats sollen in Zukunft sechs statt drei Gründer*innen von Beginn an per Gesetz geschützt werden. Das ist gut. Ferner gibt es mehr Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Die Szene der Union Buster und ihre Methoden bleiben aber vollkommen unangetastet. Als würden hoch aggressive Kanzleien wie Naujoks, Schreiner & Partner und andere nicht existieren und seit 20 Jahren ihr Unwesen treiben. Als hätte das Arbeitsministerium nie von schmutzigen Methoden zur Zermürbung von aktiven Betriebsräten gehört.

Aus dem Lager der Arbeitgeber ist schon jetzt massiver Widerstand zu hören. Wie schätzt du das momentane Kräfteverhältnis ein? Kann sich die SPD mit der geplanten Reform durchsetzen oder ist womöglich noch mit Aufweichungen der Gesetzesvorlage zu rechnen?

So massiv ist der Widerstand auch wieder nicht. Ich sehe das eher als ritualisiertes Gejaule nach sattsam bekannten Melodien. Manche Verbände müssen einfach gegen jede Verbesserung der Arbeitsrechte sein und Opposition simulieren – vielleicht auch, damit der zögerliche Reformvorstoß der SPD als Ergebnis eines ‚zähen Ringens‘ verkauft werden kann. Das Aufheulen hielt sich allerdings erkennbar in Grenzen. Auch weil der Entwurf so knapp über der Grasnarbe wuchs, dass man ihn kaum noch rasieren konnte. Hervorgetan hat sich eigentlich nur der Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (VBM): Pressesprecher Tobias Rademacher ließ verlautbaren: „Weitere Verschärfungen des Betriebsverfassungsgesetzes führen zu Überregulierung, einem Ungleichgewicht und schwächen dessen Akzeptanz.“ Hier schimmert der Kern des Union Busting-Problems durch: Geltende Gesetze müssen offenbar um ihre „Akzeptanz“ bangen, wenn sie Unternehmen nicht passen. Heißt im Klartext wohl: Da brauchen wir uns nicht dran zu halten. Im Betrieb bestimmen wir, welche Gesetze gelten.

Deinen Ausführungen nach zu urteilen geht der Gesetzentwurf nicht weit genug. Welche Punkte fehlen deiner Meinung nach?

Wir fordern, dass Union Busting – also die professionelle Bekämpfung von Betriebsräten, Vertrauensleuten und Gewerkschaften – als Wirtschaftskriminalität erkannt und konsequent bekämpft wird. Dafür müssten unseres Erachtens drei Punkt umgesetzt werden:

  1. Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität einrichten und dort: Sonderabteilungen für Arbeitsbeziehungen
  2. Strafmaß erhöhen: Betriebsratsbehinderung als Offizialdelikt! Bislang steht diese auf der selben Stufe wie Beleidigung. Doch Union Busting ist kein Kavaliersdelikt, sondern gegen die Koalitionsfreiheit gerichtet, die im Grundgesetz garantiert wird.
  3. Verpflichtendes Melderegister für Betriebsratswahlen!

 

Was hat es mit dem Betriebsratsregister auf sich? Ist das verwandt mit dem Lobbyregister?

Verwandt vielleicht nicht, aber die Idee des Betriebsratsregisters ist genau wie das Lobbyregister aus den USA inspiriert. Dort gibt es ein vergleichbares Register für Gewerkschaftswahlen schon seit den Zeiten des New Deal 1936. Der Hintergrund ist folgender: Die genaue Zahl der Betriebsräte und Betriebsratsgründungen in Deutschland ist unbekannt. Ebenso ihre Entwicklung oder ihr Scheitern. Laut IAB sollen nur noch ca. 9 % aller wahlberechtigten Betriebe mit fünf oder mehr Angestellten einen Betriebsrat haben. Doch der Befund ist umstritten und vermutlich zu optimistisch. Es fehlen genaue, empirische Daten. Durch ein verpflichtendes Betriebsratsregister, in das Betriebsratswahlen und Betriebsratsgründungen eingetragen werden müssen, wird das Phänomen der Betriebsratsbehinderung überhaupt erst erforschbar. Das Betriebsratsregister soll Transparenz und Öffentlichkeit herstellen. Es würde eine wichtige Grundlage sein, um effektiven Schutz von Betriebsräten überhaupt erst zu entwickeln.

Das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ soll vor dem 1. Mai durch den Bundestag gehen. Glaubt ihr, dass dort noch etwas gedreht werden kann?

Wir wollen auf jeden Fall noch einmal Druck auf die Regierung ausüben, um das Problembewusstsein zu schärfen. Zumindest soll dieses enttäuschende und viel zu zögerliche Reförmchen nicht auch noch beklatscht werden dürfen. Wir haben zusammen mit der Stiftung ethecon einen Aufruf an den Arbeitsminister gestartet, der sehr erfolgreich angelaufen ist. Er kann online unterzeichnet werden: https://arbeitsunrecht.de/betriebsraete-staerken/.
Wir schreiben unsere Forderungen selbstverständlich auch kommenden Regierungen und ihren Arbeitsminister*innen ins Stammbuch. Um unsere Forderung umzusetzen, müssen wir einen langen Atem haben und eine Bewegung von aktiven Betriebsräte für mehr Betriebsräte aufbauen.

Wie ist die Resonanz auf den Aufruf bisher?

Sehr gut. Wir haben vor dem Start sehr viele Erstunterzeichner*innen gewinnen können. Dazu gehört auch die Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung. Dabei sind zahlreiche Betriebsräte, Fachanwälte für Arbeitsrecht und Bundestagsabgeordnete. Mit Beate Müller-Gemmeke hat immerhin die arbeitspolitische Sprecherin der Grünen unterzeichnet. Vielleicht zeichnen sich hier sogar neue Koalitionen für Arbeitsrechte als Menschenrechte jenseits der ausgetretenen Pfade ab. Das wäre meine Hoffnung.

Lieber Elmar, danke für das Interview!

Logo Aktion arbeitsunrecht Arbeit und Lernen Detmold unterstützt den Aufruf und verbreitet ihn gern. Hier geht es zum Aufruf und der Unterschriftenliste: arbeitsunrecht.de/betriebsraete-staerken/

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