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Datenschutz im Betrieb – Wer ist wie verantwortlich?

Aktuelle BAG-Entscheidung zum Auskunftsanspruch des Betriebsrats bei personenbezogenen Daten.

„Soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet, ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Rahmen der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Arbeitgeber und Betriebsrat unterstützen sich gegenseitig bei der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften.“ (§ 79a, Absatz 1, Satz 2+3 BetrVG). So steht es seit März 2021 im Betriebsverfassungsgesetz.

Super, denken wir. Dann kann sich der Betriebsrat ja entspannt zurücklehnen. Doch irgendwo im Hinterstübchen ist vielleicht doch noch ein leiser Zweifel, ob das denn so einfach sein kann. Kann es natürlich nicht. Beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ist im Mai dieses Jahres ein wichtiger Beschluss dazu ergangen. Ein Betriebsrat wollte vom Arbeitgeber ein Verzeichnis aller im Betrieb und im Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Menschen.

Der Arbeitgeber verweigerte diese Auskunft und teilte dem BR lediglich mit, dass das Schwellenwert zur Wahl einer Schwerbehindertenvertretung (SBV) erreicht sei. Das reichte dem BR nicht und er zog vor das Arbeitsgericht.

Ohne Datenschutzkonzept kein Auskunftsanspruch des Betriebsrats!
(BAG, Beschluss vom 9. Mai 2023 – 1 ABR 14/22 –)

 

Erläuterungen zum Urteil

Thomas Bödecker, Richter am Arbeitsgericht in Hannover
Thomas Bödecker, Richter am Arbeitsgericht in Hannover

Die Entscheidung des BAGs erklärt und erläutert uns Thomas Bödecker, Richter am Arbeitsgericht in Hannover und einer unserer Referenten zum Thema Datenschutz und digitale Arbeit.

Kannst Du uns bitte in wenigen Sätzen sagen, um welche Frage es im Kern bei der Entscheidung des BAGs ging?
Anlass des Verfahrens war ein Auskunftsanspruch des Betriebsrats. Der Betriebsrat begehrte vom Arbeitgeber Angaben zur Anzahl und den Namen der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen. Der Arbeitgeber lehnte die Erfüllung des Auskunftsanspruchs u. a. deshalb ab, weil er meinte, dass das Datenschutzkonzept des Betriebsrats nicht ausreichend sei.

Warum ging das Ganze bis zum BAG? War dazu nicht schon alles geklärt?

Das vorhergehende LAG hatte die Rechtsbeschwerde ausdrücklich zugelassen, weil höchstrichterlich bisher nicht entschieden war, welche Anforderungen an das Datenschutzkonzept des Betriebsrats zu stellen sind.

Was hat das BAG nun entschieden?

Das BAG hat in seiner Entscheidung mehrere Fragen geklärt. Zunächst, dass der Betriebsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber hat. Sodann, dass dieser nicht davon abhängt, dass die betroffenen Arbeitnehmer ein Einverständnis mit der Weitergabe ihrer Daten erklären.

Der wichtigste Teil der Entscheidung ist jedoch:  Ohne ein ausreichendes Datenschutzkonzept im Betriebsrat wäre der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Auskunftsanspruch zu erfüllen. Nur wenn der Betriebsrat selbst über ein funktionierendes Datenschutzkonzept verfügt, bekommt er Auskunft. Das Gesetz verlangt dies in § 22 Abs. 2 BDSG, und damit auch vom Betriebsrat.

Wie schätzt Du die Bedeutung für die betriebliche Praxis ein?

Die Relevanz dieser Entscheidung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wir sehen seit einiger Zeit, dass der Datenschutz alle Bereiche des Arbeitsrechts durchdringt. In der vorliegenden Entscheidung macht das BAG erstmals den (gesetzlichen) Auskunftsanspruch nach § 80 Abs. 2 BetrVG davon abhängig, dass der Betriebsrat selbst im Bereich des Datenschutzes so aufgestellt ist, dass es den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Hast Du einen Rat für die Betriebsräte?

Aus meiner Sicht ist es unerlässlich, dass sich die Arbeitnehmervertretungen eingehend mit dem Datenschutzrecht beschäftigen. Sie brauchen es für einen kompetente Wahrnehmung der Rechte der Arbeitnehmer und – wie die vorliegende Entscheidung zeigt – zur Durchsetzung ihrer eigenen Rechte.

Oftmals hört man, dass das Datenschutzrecht sperrig und spröde sei. Ich kann dies nicht bestätigen. Hat man erst einmal die Grundkenntnisse erlangt – was gar nicht so schwierig ist -, erkennt man, dass das Datenschutzrecht eine unfassbar spannende und lebendig Materie ist – abgesehen davon, dass Datenschutz uns mittlerweile in jedem Lebensbereich begegnet und man schon deshalb Kenntnisse in diesem Rechtsgebiet haben sollte.

Neue Seminarreihe zum Arbeitnehmerdatenschutz

In verschiedenen Modulen werden sowohl Grundlagenkenntnisse, als auch Spezialwissen vermittelt. Das an sich es noch nichts Ungewöhnliches. Nach der Vermittlung von Grundkenntnissen, geht es mit zwei Aufbauseminaren weiter. Wir trennen die Bedeutung des Datenschutzes im Individualarbeitsrecht und im Kollektiven Arbeitsrecht. Wir schauen also einmal durch die Brille der Beschäftigten und einmal durch die Brille der Interessenvertretungen. Es folgen weitere Spezialseminare.

Aktuelle Seminarangebote in der Reihe:

Grundlagenseminar: Rechtsgrundlagen und Struktur im Arbeitnehmerdatenschutz

  • 29.01.2024 – 31.01.2024 in Hannover
  • 22.05.2024 – 24.05.2024 in Bremen

Infos & Anmeldung

Aufbauseminar: Arbeitnehmerdatenschutz im individuellen Arbeitsrecht

  • 01.07.2024 – 03.07.2024 in Dortmund

Infos & Anmeldung

Aufbauseminar: Arbeitnehmerdatenschutz im kollektiven Arbeitsrecht

  • 04.11.2024 – 06.11.2024 in Münster

Infos & Anmeldung

Spezialseminar: Künstliche Intelligenz und Datenschutz

  • 29.08.2024 – 30.08.2024 in Hannover

Infos & Anmeldung

Spezialseminar: Neue Formen der Überwachung und Datenschutz

  • 04.11.2024 – 06.11.2024 in Münster

Infos & Anmeldung

Spezialseminar: SBV und Datenschutz

  • 11.03.2024 – 12.03.2024 in Hannover

Infos & Anmeldung

Spezialseminar: Verhaltensbedingte Kündigung und Datenschutz

  • 18.06.2024 – 19.06.2024 in Münster

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