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Keine Lohnerstattung mehr für ArbeitnehmerInnen in Quarantäne, die sich – trotz Unbedenklichkeit – nicht impfen lassen.

Seit kurzem gibt es ein Fragerecht nach dem Impfstatus für Beschäftigte in bestimmten Branchen. Das wurde mit der neu geschaffenen Regelung des § 36 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) eingeführt. Nun hat der Gesundheitsministerkonferenz am 22. September 2021 beschlossen, mit Wirkung zum 1. November 2021 grundsätzlich keine staatlichen Entschädigungsleistungen mehr für ungeimpfte Beschäftigte zu zahlen, die aufgrund einer Quarantäne nicht arbeiten können. In einigen Ländern gilt diese Regelung bereits.

Einer gesetzlichen Neuregelung bedurfte es dafür nicht; vielmehr handelt es sich um die Abstimmung einer spätestens an November ländereinheitlichen gemeinsamen Verwaltungspraxis.

Regel und Ausnahmeprinzip im Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Nach dem IfSG soll derjenige, der sich aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne begeben muss, keinen Lohnausfall erleiden. Denn das Fernbleiben einer oder eines Beschäftigten von der Arbeit aufgrund einer häuslichen Absonderung ist zwar gerechtfertigt, den Lohnanspruch gegenüber dem oder der Arbeitgeber/in verlieren diese Mitarbeitenden aber nach § 326 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) trotzdem. In rechtlicher Hinsicht liegt dann ein Fall der Unmöglichkeit der Leistungserbringung vor (§ 275 Abs. 1 BGB) vor. Eine Anspruchserhaltungsnorm, wonach der Arbeitgeber gleichwohl den Lohn weiterzahlen müsste, existiert in solchen Fällen nicht.

Daher greifen dann die infektionsschutzrechtlichen Regelungen: Gem. § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG erhält ein Ansteckungs- oder Krankheitsverdächtiger, der einen Verdienstausfall erleidet, eine Geldentschädigung. Diese bemisst sich nach dem Verdienstausfall und wird für die ersten sechs Wochen in voller Höhe gezahlt, § 56 Abs. 2 IfSG. Für eine fünftägige bzw. maximal zweiwöchige Quarantäne infolge Corona-Ansteckungsverdachts genügt das regelmäßig, um ohne finanzielle Einbußen die Zeit der Absonderung zu überbrücken. Der Arbeitgeber fungiert dabei als Zahlstelle der Behörden und schießt das Geld vor, kann ihn später von der Behörde erstattet bekommen (§ 56 Abs. 5 S. 3, Abs. 12 IfSG).

Allerdings sieht das Gesetz eine wichtige Ausnahme davon vor: Eine Geldentschädigung erhält nämlich nicht, „wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung (…) die (…) im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde (…) eine Absonderung hätte vermeiden können“ (§ 56 Abs. 1 S. 4 IfSG). Diese Ausnahme wurde bereits im Sommer 2020 in das Gesetz eingefügt, wurde bislang aber nicht angewandt.

Eine Impfung hätte mittlerweile jede/r erhalten können

Da sich zwischenzeitlich jede/r Impfwillige hätte impfen lassen können und die Impfung gemeinhin empfohlen wird, dürften die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift zwischenzeitlich vorliegen. Verschiedene Länder, wie z. B. Bayern, waren daher auch bereits vorgeprescht und hatten angekündigt, fortan keine Entschädigungszahlungen mehr zu leisten, wenn ungeimpfte Beschäftigte in die Quarantäne geschickt werden. Eine Ausnahme sollte nur für solche Fällen gelten, in denen eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich war. Diese Regelung gilt mit der Einigung der Bundesländer mit dem Bundesgesundheitsminister vom 22. September bundesweit spätestens ab dem 1. November. Die Länder werden danach „denjenigen Personen keine Entschädigungsleistungen gemäß § 56 Absatz 1 IfSG mehr gewähren, die als Kontaktpersonen oder als Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet bei einem wegen COVID-19 behördlich angeordneten Tätigkeitsverbot oder behördlich angeordneter Absonderung keinen vollständigen Impfschutz (…) vorweisen können“. Dies gilt allerdings dann nicht, „sofern eine medizinische Kontraindikation hinsichtlich der COVID-19-Schutzimpfung durch ärztliches Attest bestätigt wird“.

Konkurrenz zwischen Arbeitsunfähigkeit und Quarantäne

Die gesetzliche Regelung und das Abstimmungsergebnis der Gesundheitsminister beziehen sich indes nur auf Ausfallzeiten infolge von Quarantäne. Ist ein/e Arbeitnehmer/in nicht nur „unter Quarantäne“, sondern „in Quarantäne erkrankt“, so kann er/sie weiter die gesetzliche Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 3 EFZG) bis zur Dauer von sechs Wochen beanspruchen. Diese Zahlung hat der bzw. die Arbeitgeber/in zu leisten.  Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der oder die Beschäftigte auch tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt ist. Eine Infektion ohne Krankheitsanzeichen genügt dafür nicht und begründet keine Arbeitsunfähigkeit und damit auch keinen Lohnfortzahlungsanspruch, wie das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn kürzlich im Falle des Aufeinandertreffens von Urlaubszeit und Quarantäneanordnung entschieden hat (ArbG Bonn, Urt. v. 07.07.2021, Az.: 2 Ca 504/21; vgl. auch ArbG Aachen, Urt. v. 30.03.2021, Az: 1 Ca 3196/20).  Zwar sieht auch das EFZG einen Anspruchsausschluss dann vor, wenn die Erkrankung selbst verschuldet war. Der Maßstab bei diesem Verschuldensbegriff dürfte aber wohl ein anderer sein, so dass ungeimpft mit Corona erkrankte Beschäftigte weiterhin arbeitgeberseitige Lohnfortzahlung erhalten dürften.

Besser nicht einfach krankmelden

Wer nun mit dem Gedanken spielt, sich bei einer symptomlosen Quarantäne einfach krank zu melden, um keine Lohneinbußen zu verspüren, riskiert seinen Arbeitsplatz. Die Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit zur Erreichung von Lohnfortzahlungen stellt eine Pflichtverletzung dar, die auch mit einer außerordentlich fristlosen Kündigung sanktioniert werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) jüngst die Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gesenkt hat: Fällt eine Arbeitsunfähigkeit mit einer Eigenkündigung zusammen, kann dies den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung erschüttern (BAG, Urt. v. 08.09.2021, Az.: 5 AZR 149/21). Ähnliches könnte in Quarantäne-Fällen gelten.

Erweitertes Fragerecht für Arbeitgeber

Da nach dem gesetzlichen Konzept der/die Arbeitgeber/in die Erstattung zunächst als behördliche Zahlstelle verauslagt und diese erst später auf eigenen Antrag hin bei der Behörde regressieren kann, hat diese/r ein großes eigenes Interesse daran, zu wissen, ob er auch später tatsächlich eine Erstattung erhält. Er/Sie wird also von der oder dem Arbeitnehmer/in wissen wollen, ob diese/r in Quarantäne ist und den/die Beschäftigte/n fragen wollen, ob bzw. warum er/sie nicht geimpft ist.

Auch wenn ein grundsätzliches Fragerecht nach dem Impfstatus im Arbeitsverhältnis – sieht man von den bestimmten Beschäftigungsgruppen wie Pflegekräften oder Lehrerinnen und Erziehern gem. §§ 23a, 36 Abs. 3 IfSG einmal ab – nicht besteht, wird das Auskunftsverlangen des Unternehmens berechtigt sein. Da die personenbezogenen Daten in Form der Gesundheitsdaten für die Abwicklung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind, überwiegt das Interesse des Arbeitgebers das Persönlichkeitsrecht des bzw. der Beschäftigten (Art. 88 Abs. 1 DS-GVO, § 26 Abs. 3 BDSG).

So sieht es jedenfalls das Bundesgesundheitsministerium in einem Schreiben an die Deutschen Arbeitgeberverbände vom 27. August 2021 und führt aus, dass es für Unternehmen bereits schon „heute möglich (sei), in rechtlich zulässiger Weise von ihren Arbeitnehmern die erforderlichen Informationen einzuholen, die für eine wirksame Anwendung des Anspruchsausschlusses nach § 56 Absatz l Satz 4 IfSG erforderlich sind“. Beschäftigte, die eine Entschädigung verlangen, müssen also Angaben über ihren Impfstatus bzw. die medizinische Unmöglichkeit einer Impfung gegenüber dem Unternehmen machen.

Quelle: Einigung: Keine Lohnerstattung für Ungeimpfte in Quarantäne: Wer Geld will, muss Impfstatus preisgeben . In: Legal Tribune Online, 23.09.2021 ,

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