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Literatur-Tipp: „Work Hard Play Hard – Das Buch zum Film“

Die Regisseurin Carmen Losmann hat in ihrem Dokumentarfilm „Work Hard Play Hard“, für den sie   2014 den renommierten Grimme-Preis  gewonnen hat, sehr treffende Bilder dafür gefunden, wie sich die Arbeitswelt und die Management-Methoden verändert haben.

Eva Bockenheimer hat gemeinsam mit der Regisseurin und dem Philosophen Stephan Siemens ein Buch herausgegeben, in dem der Film zum Anlass genommen wird, um diese Veränderungen gemeinsam zu besprechen und zu analysieren (Presse-Information zum Buch als PDF).

Falls Ihr den Film noch nicht kennt: Unbedingt sehenswert! Und das Buch natürlich ebenso lesenswert :-)

Das Buch ist 2014 in 2. Auflage im Schüren-Verlag in Marburg erschienen und kann u. a. hier bezogen werden: https://www.schueren-verlag.de/kino-lesen/titel/364–work-hard-play-hard.html

 

Interview mit Dr. Eva Bockenheimer, Mitautorin des Buches und Referentin bei Arbeit & Lernen Detmold

„Die Teilnehmenden und ich – wir ergänzen uns einfach sehr gut und lernen so jeweils voneinander.“ Eva Bockenheimer ist schon seit ein paar Jahren als Referentin für uns tätig. Im Seminar „Indirekte Steuerung“ ist sie die Referentin. Eva ist promovierte Philosophin. Das läßt vermuten, dass sie etwas anders auf die Dinge schaut, als z.B. unsere Arbeitsrechtler*innen. Doch wir fragten sie selbst. Hier geht es zum Interview.

Liebe Eva,
als Philosophin Interessenvertretungen schulen? Ist das nicht zu „feingeistig“, zu abgehoben?

Könnte man meinen – die Universitätsphilosophie ist jedenfalls leider wirklich oft abgehoben und weltfremd. Aber wenn man einen Blick in die Philosophiegeschichte wirft, dann muss man sagen: Philosoph*innen bemühen sich, die Welt zu begreifen. Die Arbeitswelt und ihr Zusammenhang zu unserem gesellschaftlichen Leben gehören also ganz selbstverständlich zu den Themen der großen Philosoph*innen.

Ich erlebe es als eine unglaubliche Bereicherung, von den Teilnehmer*innen, die ja aus ganz unterschiedlichen Arbeitsbranchen kommen, zu erfahren, mit welchen Problemen sie sich auseinandersetzen müssen und wie die Dinge in der Praxis laufen, mit all den Widersprüchen, die dazugehören. Umgekehrt ist es eine sehr schöne Erfahrung, zu sehen, dass die Teilnehmenden von meinem theoretischen Wissen über neue Management-Konzepte und allgemeine Veränderungen in der Arbeitswelt profitieren und häufig davon sprechen, dass sie einen „Aha-Effekt“ hatten. Im betrieblichen Alltag sind die Beschäftigten in der Regel mit vielen, kleinteiligen Anforderungen befasst. Als Philosophin schärfe ich den Blick auf „das große Ganze“, den Zusammenhang all dieser scheinbar getrennten Problemfelder. Rückblickend auf 10 Jahre Erfahrungen in der gewerkschaftlichen Bildungs- und Beratungsarbeit muss ich sagen: die Teilnehmenden und ich – wir ergänzen uns einfach sehr gut und lernen so jeweils voneinander.

Warum in diesen Zeiten ein Seminar zu „Indirekter Steuerung“? Was ist das eigentlich? Und sind jetzt nicht andere Themen wichtiger?

Mit „indirekter Steuerung“ ist eine Veränderung in der Form der Arbeitsorganisation gemeint, die auf einer gewachsenen produktiven Fähigkeit der Beschäftigten beruht, die die Unternehmen für ihre Zwecke nutzen wollen. Bis ca. 1970 hat man die Beschäftigten direkt gesteuert, in einem System mit klaren Anweisungen und Hierarchien, in dem „Befehl und Gehorsam“ galt. Mittlerweile weiß man, dass Beschäftigte viel produktiver sind, wenn man ihnen vermehrt Unternehmerfunktionen überlässt. Man stellt dafür selbstorganisierte Teams zusammen, die man dann indirekt steuert: Statt Anweisungen zu geben, setzt man marktförmige Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass die Beschäftigten immer mehr unternehmerische Verantwortung übernehmen (müssen). Z.B. setzt man Teams in Konkurrenz, konfrontiert sie mit ihren eigenen Kennzahlen, setzt Gewinnerwartungen fest – und die Teams müssen dann selbst schauen, wie sie unter diesen Rahmenbedingungen ihre Arbeit erledigen können. Im Seminar befassen wir uns damit, welche Auswirkungen das auf die Betriebsratsarbeit und auch auf die psychische Gesundheit der Beschäftigten hat und wie wir gegensteuern können.

Aktuell haben die Kolleginnen und Kollegen sicher viele andere Sorgen: In zahlreichen Branchen muss man mit Auftragsrückgang und Absatzeinbußen rechnen, viele haben Kurzarbeit eingeführt, es drohen Insolvenzen. Auch die indirekten Bereiche geraten unter Druck, schließlich sind sie ja davon abhängig, dass der gewerbliche Bereich floriert. Trotzdem halte ich das Thema „indirekte Steuerung“ gerade jetzt für relevant. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen führt gerade die indirekte Steuerung, solange wir sie nicht begreifen, dazu, dass die Unternehmen immer mehr Personal und Budget einsparen und den Leistungsdruck stetig erhöhen können, was vermehrt zu psychischen Belastungen führt. Die derzeitige Krise wird dieses Problem weiter verschärfen und es ist wichtig, dass wir den Zusammenhang verstehen, um handlungsfähig zu sein. Zum anderen ist es gerade jetzt, wo der Staat die Unternehmen finanziell kräftig unterstützt, notwendig, dass wir uns für mehr Mitbestimmung einsetzen, damit wir dafür sorgen können, dass von diesen Mitteln auch etwas bei den Beschäftigten ankommt und damit sich an den Arbeitsbedingungen etwas verändert. Im indirekte Steuerungsseminar machen wir uns unsere eigenen gewachsenen Fähigkeiten klar – und ein solches Selbstbewusstsein werden wir brauchen, um durchsetzungsfähig zu sein!

Kannst Du bitte folgenden Satz vervollständigen: Wäre ich nicht Philosophin in der Erwachsenenbildung, dann wäre ich gern …

… Opern- oder auch Pop-Sängerin, vielleicht auch Musikerin in einem großen Orchester. Irgendwas mit Musik fände ich jedenfalls toll!

Liebe Eva, danke für das Interview. Wir freuen uns sehr auf die zukünftige Zusammenarbeit!

Passendes Seminar

Wir bieten passend zur Thematik das Seminar Indirekte Steuerung als Managementstrategie – Folgen für Gesundheit und Betriebsklima an:

  • Termin: 16. – 18. September 2020
  • Ort: Kaiserhof Münster

Infos & Anmeldung

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