Urteil: Kann der Arbeitgeber den Betriebsrat auf ein „günstigeres“ Seminar verweisen?
Beschließt der Betriebsrat, eines oder mehrere seiner Mitglieder in ein Seminar zu entsenden, so gibt es nicht selten Diskussionen hierüber mit dem Arbeitgeber. Diese können sich um die inhaltliche Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG oder auch um die zeitliche Lage drehen. Allerdings kommt es auch vor, dass vom Arbeitgeber gar nicht in Abrede gestellt wird, dass eine Schulungsveranstaltung thematisch erforderlich ist, sondern der Arbeitgeber den Betriebsrat auf ein günstigeres Seminar gleichen Inhalts bei einem anderen Seminaranbieter verweist.
Dabei kann sich die Ersparnis (für den Arbeitgeber) einerseits daraus ergeben, dass die Schulungsveranstaltung an sich kostengünstiger ist. Sie kann aber auch damit zusammenhängen, dass das vom Arbeitgeber „ausgesuchte“ Seminar in unmittelbarer Nähe des Betriebes stattfindet und daher kein Reise- oder Übernachtungsaufwand anfällt. Muss der Betriebsrat dann das billigere Seminar buchen?.
Grundsätze der Auswahlentscheidung
Mit dieser Frage hat sich das LAG Rheinland-Pfalz in einer Entscheidung vom 20.05.2020 noch einmal beschäftigt und dabei zunächst als Grundsatz betont, dass der Betriebsrat bei der Prüfung der Erforderlichkeit die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen hat.
Kosten der Schulungsveranstaltung sind lediglich ein Kriterium
Der Betriebsrat hat allerdings ein Recht zur Auswahl unter konkurrierenden Angeboten. Er muss gerade nicht die Schulungsveranstaltung auswählen, die mit den geringsten Kosten verbunden ist. Er muss auch keine umfassende Marktanalyse betreiben, um den günstigsten Anbieter zu ermitteln.
Weitere Kriterien können (und müssen) berücksichtigt werden
So kann der Betriebsrat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums eine Auswahlentscheidung auch vom Seminarveranstalter selbst abhängig machen. Dies bedeutet, dass der Betriebsrat einen Seminaranbieter auch deshalb vorziehen kann, weil er mit diesem in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht hat – selbst wenn das ausgesuchte Seminar Mehrkosten verursacht. Zudem kann der Betriebsrat berücksichtigen, inwieweit die angebotene Schulung eine an der Arbeitnehmersicht orientierte und praxisbezogene Schulung erwarten lässt.
Auch Besuch des Arbeitsgerichts von Bedeutung
Das LAG betont in seiner Entscheidung zudem ausdrücklich, dass auch der integrierte Besuch mehrerer Verhandlungen beim Arbeitsgericht den Ausschlag für ein teureres Seminar geben kann. Der begleitete Besuch ausgewählter Gerichtsverhandlungen vermittele dem Betriebsrat einen Blick darauf, was bei seiner Arbeit entscheidend ist. Das gelte sowohl für den Besuch eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens als auch eines Urteilsverfahrens. So könne hierbei nachhaltig die Wichtigkeit der Einhaltung formaler Regelungen wie beispielsweise der Anforderungen zur Einladung zu einer Betriebsratssitzung, der Beauftragung von Bevollmächtigten, aber auch die aufzuwendende Sorgfalt bei der praktisch bedeutsamen Formulierung von Beschlüssen und Schreiben des Betriebsrats, zum Beispiel im Hinblick auf den Widerspruch nach § 102 Abs. 3 BetrVG oder die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 BetrVG, vermittelt werden.
Seminar sollte nicht mehr als 50% teurer sein
Abschließend zeigt das LAG noch auf, wo im Allgemeinen die (Schmerz-)Grenze gezogen wird. Generell muss sich der wirtschaftliche Aufwand für den Arbeitgeber unter Einbeziehung der Entfernung zum Schulungsort und der Reise- und Übernachtungskosten in einem angemessenen Rahmen halten. Die Angemessenheit der Auswahlentscheidung ist nach einer Entscheidung des BAG zweifelhaft, wenn die Schulungsveranstaltung mehr als 50 % teurer ist als vergleichbare Seminare (BAG, Beschluss vom 19. März 2008 – 7 ABR 2/07). Dann müssten schon außergewöhnlich gewichtige Gründe für diese Schulungsveranstaltung sprechen.
Fazit: Der Betriebsrat entscheidet selbst, welches Seminar er für erforderlich hält. Sprechen sachliche Argumente für eine bestimmte Schulungsveranstaltung, braucht sich der Betriebsrat nicht auf ein günstigeres Seminar verweisen zu lassen, solange die Mehrkosten nicht unangemessen sind.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Mai 2020 – 7 TaBV 11/19