Wenn es im Betrieb kriselt: Betriebsänderung, Sozialplan, Interessenausgleich. Über was reden wir hier eigentlich?
Der Wahlkampf ist gelaufen. Glauben wir den Worten der „Gewinner“, so müssen wir uns eigentlich keine Sorgen mehr über betriebliche Krisen machen. Friedrich Merz verspricht uns eine Wirtschaftspolitik, die rosige Zeiten prophezeit. Wir trauen dem Braten noch nicht so richtig … Deshalb greifen wir in diesem Newsletter ein Thema auf, das in unseren Seminaren immer häufiger ein Thema ist: Betriebsänderung.
Eigentlich wollten wir Euch nur einen kurzen Überblick über das Thema „Betriebsänderung“ geben. Das ist kaum möglich. Das Thema ist sehr komplex, aber eben auch extrem wichtig. Da es außerdem viele Missverständnisse und Fehlannahmen rund um das Thema gibt, bringen wir hoffentlich ein wenig Licht ins Dunkel.
Warum reden wir über das Thema? In einigen Branchen kriselt es gewaltig. Es wird vermehrt Kurzarbeit gemacht. Die Frage, was danach passiert, treibt viele Betriebsräte um. Kommt es zu Entlassungen? In den Medien hören wir immer wieder Berichte über Personalabbau und den Satz „Betriebsbedingte Kündigungen sind (vorerst) nicht geplant“. Soll heißen: Befristungen laufen aus, Stellen werden nicht nachbesetzt und Aufhebungsverträge werden angeboten. Jedenfalls noch nicht. Dann wird noch mal durchgeatmet. Klarheit gibt es aber nicht.
Für Betriebsräte ist es deshalb extrem wichtig zu erkennen, wann es sich bei betrieblichen Umstrukturierungen um eine Betriebsänderung handelt. Definiert ist diese im §§ 111 Betriebsverfassungsgesetz. Und hier wird deutlich: Es geht bei Weitem nicht nur um Entlassungen.
Hier die Aufzählung im § 111 BetrVG, anhand derer Ihr prüfen könnt, ob es sich um eine Betriebsänderung handelt:
- Einschränkung und Stilllegung des Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen : Hierbei wird entweder der Betrieb gänzlich eingestellt oder zumindest die Betriebsleistung gesenkt. Bei Letzterem ist im Zuge der Betriebsänderung mit einem Personalabbau zu rechnen.
- Verlegung des Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile: In diesem Fall wird der Betrieb – oder Teile davon – auf einen neuen Standort verlegt. Ist die Entfernung zum vorherigen Standort allerdings sehr gering, handelt es sich in der Regel nicht um eine Betriebsänderung. Dazu müsste der neue Betriebsstandort nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) über 4,3 Kilometer vom alten entfernt sein.
- Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben: Hier werden mehrere Betriebe mit eigener Leitung zusammengeführt und anschließend zentral organisiert und geleitet. Das Ganze kann jedoch auch andersherum laufen, indem ein zentral geleiteter Betrieb im Zuge einer Betriebsänderung aufgespaltet bzw. Teile dieses Betriebs ausgegliedert werden und daraufhin als selbstständige Unternehmen auftreten.
- Grundlegende Änderungen des Betriebszwecks oder der -organisation oder der Betriebsanlagen: Bei diesem Vorgang der Betriebsänderung können unter anderem die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten verändert, Abteilungen neu gegliedert oder der Zweck des Betriebs verändert werden. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Textilhersteller keine Waren mehr selbst produziert, sondern sich nur noch auf den Handel damit konzentriert.
- Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren: Ändern sich technische Hilfsmittel bei der Arbeit, kommen neu hinzu oder fallen weg, kann dies ebenfalls als Betriebsänderung gewertet werden. Dabei ist jedoch von Bedeutung, dass es sich um eine gänzlich neue Methode handelt.
Ihr merkt vielleicht schon beim Lesen, dass es schwer ist festzustellen, ob es sich um eine Betriebsänderung handelt oder nicht. Was sind wesentliche Betriebsteile? Wann sprechen wir von einer Änderung des Betriebszwecks? Ist der Umzug auf die andere Straßenseite schon eine Verlegung? Um weitere Handlungsschritte zu planen bzw. machen zu können, müsst Ihr aber unbedingt klären, ob es sich um eine Betriebsänderung handelt oder nicht.
Erst dann reden wir eventuell über den Interessenausgleich und / oder den Sozialplan.
Was ist was?
Der Interessenausgleich ist eine Regelung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ob, wann und wie die vorgesehene Betriebsänderung durchgeführt werden soll. Hierbei sind alle Fragen zu besprechen, die die organisatorische Durchführung der Betriebsänderung betreffen. Das kann auch die Frage sein, wer entlassen wird. Die sogenannte „Namensliste“ bei Entlassungen ist also u. U. Bestandteil des Interessenausgleichs.
Führt der Arbeitgeber die Betriebsänderung durch, ohne zuvor ernsthaft über einen Interessenausgleich verhandelt zu haben, steht dem Betriebsrat nach herrschender Meinung ein Unterlassungsanspruch zu, der im Zweifel per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden kann. D. h. im Klartext: Die Betriebsänderung kann erstmal stattfinden.
Im Sozialplan geht es anders als im Interessenausgleich um die finanziellen Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer. Ob ein Sozialplan erzwungen werden kann, hängt von der Zahl der beabsichtigten Kündigungen im Verhältnis zu Beschäftigtenzahl ab. Im Gegensatz zum Interessenausgleich handelt es sich hierbei um eine Betriebsvereinbarung, die unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis wirkt.
In der Praxis wird nicht immer trennscharf zwischen den beiden Vereinbarungen unterschieden, was aber in Hinblick auf die Ansprüche und Rechte der Beschäftigten sehr wichtig werden könnte.
Wenn Ihr wissen wollt, wie Ihr prüft, ob es bei Euch im Betrieb eine Betriebsänderung gibt, welche Handlungsmöglichkeiten sich für Euch daraus ergeben, und was das ganz konkret in der Praxis bedeutet, dann solltet Ihr unsere Seminare dazu besuchen.